Fiktive Abrechnung: Auszahlung der ermittelten Reparaturkosten
Die Polizei hat im Jahr 2020 rund 2,3 Millionen Unfälle aufgenommen. Davon blieb es meist (bei 2,0 Millionen der Unfälle) bei Sachschäden. Bei einem Teil der entstandenen Sachschäden entscheiden sich die Unfallgeschädigten dazu, das Fahrzeug nicht reparieren zu lassen, sondern sich den Schaden auszahlen zu lassen. Dieses Verfahren nennt sich “Fiktive Abrechnung” und kann nur mit Hilfe eines Gutachtens von einem Kfz-Sachverständigen durchgeführt werden. Erfahren Sie hier mehr, was Sie beachten müssen, falls Sie eine Auszahlung des Schadens ins Betracht ziehen.
Das Wichtigste in Kurzform
- Nach einem Unfall kann sich das Unfallopfer auch für eine Auszahlung des Schadens anstelle der Übernahme der Reparaturkosten entscheiden.
- Dieses Verfahren wird als Fiktive Abrechnung bezeichnet.
- Voraussetzung dafür ist die Vorlage eines Gutachtens, das von einem Kfz-Sachverständigen erstellt sein muss.
- Die Kosten für das Gutachten werden von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernommen.
- Nutzungsausfallentschädigungen, Wertminderung und die Übernahme von Rechtsanwaltskosten sind auch bei einer fiktiven Abrechnung als Anspruch möglich.
- Mietwagenkosten und fiktive Mehrwertsteuer auf Reparaturrechnungen können bei einer fiktiven Abrechnung nicht geltend gemacht werden.
Fiktive Abrechnung – eine Definition
Nach einem Verkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers den entstandenen Schaden zahlen. Das Unfallopfer kann entweder die Reparatur in einer Werkstatt durchführen lassen oder sich den Betrag einer “fiktiven” Reparaturrechnung (in Form eines Gutachtens) auszahlen lassen – das ist dann eine sogenannte fiktive Abrechnung.
Eine fiktive Abrechnung kann neben der reinen Reparatur auch Nutzungsausfallentschädigungen, Wertminderung und Rechsanwaltskosten umfassen. Das für die Abwicklung der fiktiven Abrechnung erforderliche Gutachten wird ebenfalls von der Versicherung des Unfallverursachers gezahlt.
Das Gutachten – unverzichtbar bei fiktiver Abrechnung
Eine Versicherung benötigt zur Regulierung eines Schadens immer einen Beleg, aus dem die Höhe des Schadens ersichtlich ist. Falls ein Fahrzeug nach einem Unfall in einer Werkstatt repariert wird, dient die Reparaturrechnung als Nachweis. Bei einer fiktiven Abrechnung ist zwingend ein Unfallgutachten notwendig, das von einem Kfz-Gutachter erstellt wird. Die Kosten für das Gutachten werden von der Versicherung übernommen. Der Unfallgeschädigte darf den Gutachter frei wählen – und sollte auch keinen von der Gegenseite beauftragten Sachverständigen akzeptieren.
Ausnahme – Wann reicht ein Kostenvoranschlag bei einer fiktiven Abrechnung?
Bei Bagatellschäden mit einer nur geringen Schadenshöhe (bis ca. 500 Euro) ist in der Regel kein Gutachten erforderlich, es reicht ein Kostenvoranschlag. Wertminderung und sogenannte Verbringungskosten (diese bezeichnen den internen Transport des Fahrzeugs z.B. zwischen Autowerkstatt und Lackiererei) fallen bei Bagatellschäden nicht an. Zur fiktiven Abrechnung können daher Kostenvoranschläge der betreffenden Werkstätten eingereicht werden. Reine Bagatellschäden sind eher selten – Im Zweifel sollte immer ein Kfz-Gutachter beauftragt werden.
Welche Posten kann ich bei einer fiktiven Abrechnung geltend machen?
Reparaturkosten
Die Reparaturkosten müssen von der Versicherung komplett übernommen werden (teilweise ohne rein rechnerische Mehrwertsteuer – wenn diese nicht anfällt). Die Höhe der Kosten ist durch ein Gutachten zu belegen.
Gutachten
Die Kosten für das Unfallgutachten (inklusive Anfahrt) übernimmt ebenfalls die Versicherung. Den Kfz-Gutachter kann der Unfallgeschädigte frei wählen, wenn es sich um einen Haftpflichtschaden handelt.
Nutzungsausfallentschädigung
Bei einer fiktiven Abrechnung können keine Kosten für einen Mietwagen geltend gemacht werden. Da das Gutachten jedoch eine vermutete Reparaturdauer aufführt, kann eine Auszahlung des Nutzungsausfalls für diesen Zeitraum beantragt werden.
Wertminderung
Auch bei einer fiktiven Abrechnung steht dem Geschädigten ein Ersatz für die Wertminderung zu. Dies gilt nicht bei ausgewiesenen Bagatellschäden.
Rechtsanwaltskosten
Falls zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche ein Rechtsanwalt benötigt wird, ist die gegnerische Versicherung zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet.
Weitere wichtige Aspekte bei einer fiktiven Abrechnung
Unterschiedliche Höhe von Stundensätzen für Reparatur
In der Regel beziehen sich Kfz-Sachverständige bei der Erstellung eines Gutachtens auf die Stundensätze einer Markenwerkstatt. Nun gibt es auch freie Werkstätten, die oft deutlich geringere Kosten veranschlagen. Manche Versicherungen weigern sich daher, bei einer fiktiven Abrechnung die hohen Preise von Markenwerkstätten auszuzahlen und verweisen auf die Schadensminderungspflicht des Geschädigten nach § 254 BGB. Grundsätzlich kann der Geschädigte jedoch die höheren Stundensätze verlangen, wenn das Fahrzeug jünger als drei Jahre ist und der Wagen bisher immer in einer Markenwerkstatt repariert wurde (vgl: BGH-Urteil vom 20.10.2009). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf der Versicherer auf gleichwertige freie Fachwerkstätten verweisen, diese müssen allerdings auch bestimmte Qualitätskriterien aufweisen (Mitglied im Zentralverband Karosserie und Fahrzeugtechnik, zertifizierter Meisterbetrieb, Verwendung von Originalersatzteilen, mindestens drei Jahre Garantie).
Höhe der Kosten für Ersatzteile (UPE)
Manchmal treten Probleme bezüglich der kalkulierten Preise für Ersatzteile auf. Fahrzeughersteller geben in der Regel unverbindliche Preisempfehlungen (UPE) für ihre Ersatzteile an. Die Werkstätten nehmen darauf ortsübliche Aufschläge vor, die von den Kfz Gutachtern für das Gutachten berücksichtigt werden. Manchmal verweigern die Versicherungen die Zahlung in diesen Fällen, von den Gerichten wird diese Praxis jedoch meist gebilligt. Falls Probleme dieser Art auftauchen, sollten Sie über die Einschaltung eines Rechtsanwaltes nachdenken. Als Unfallgeschädigter ist dies für Sie in der Regel kostenlos, da die Versicherung des Unfallverursachers die Kosten für Rechtsberatung übernehmen muss.
Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei fiktiver Abrechnung
Reparaturwerkstätten stellen ihre Rechnungen inklusive Mehrwertsteuer aus. Die Versicherungen zahlen dann die komplette Rechnung – inklusive der enthaltenen Steuer. Soll allerdings eine fiktive Abrechnung erfolgen, weigern sich viele Versicherungen den Mehrwertsteueranteil zu übernehmen. Sie weisen dann darauf hin, dass keine Reparaturrechnungen und damit keine Mehrwertsteuer angefallen ist. Dies ist grundsätzlich zutreffend. Allerdings gibt es Fälle, in denen (zumindest eine teilweise) Erstattung der Mehrwertsteuer durch die Versicherung geboten ist. Dies wäre z.B. der Fall, wenn der Geschädigte Ersatzteile für die Reparatur kauft. Diese Anteile sind dann von der Versicherung inklusive Mehrwertsteuer zu ersetzen.
Abwicklung Totalschaden bei fiktiver Abrechnung
Falls es sich um einen Totalschaden handelt, kann eine fiktive Abrechnung Probleme bereiten. Ein Totalschaden liegt vor, wenn die kalkulierten Reparaturkosten mehr als 130% über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Die Versicherungen zahlen in solchen Fällen lediglich den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes des defekten Fahrzeugs. Die Reparaturkosten selbst spielen dann keine Rolle mehr. Bedenken und kalkulieren Sie dies bei der Beurteilung, ob eine fiktive Abrechnung in solch einem Fall Sinn macht.
Fazit:
Falls Sie erwägen, sich die Reparaturkosten nach einem Unfall auszahlen zu lassen, benötigen Sie zwingend ein Gutachten. Melden Sie sich gerne bei uns – Wir stehen mit Rat & Tat zur Verfügung und erstellen Ihr Gutachten innerhalb von 24 Stunden – Damit Sie schnell Ihr Geld bekommen.
*Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte konsultieren Sie für eine rechtlich bindende Beratung einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht.